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Gendern: Die Bürger wollen keine Gendersprache – Zurecht?

2. September 2021 Vanessa Zaloga 2 Comments

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Formulierungen wie „Zuhörende“ statt „Zuhörer“ und die Nutzung des großen Binnen-I („WählerInnen“) in der Schriftsprache ebenso ab, wie eine Pause vor der zweiten Worthälfte („Pendler_innen“) in der gesprochenen Sprache und kommentiert einen solchen Disput als „Gender-Gaga“, was nicht nur kindisch klingt, sondern auch ein infantiles Verhalten der Person aufweist. In einer sachlichen Diskussion bewerten Frauen die gendergerechte Sprache insgesamt positiver als Männer, dennoch stieg bei ihnen die Ablehnung von 52 auf 59 Prozent.

Sind Gendersternchen eine gute Idee? Wir möchten gerne mit euch über das Thema Gendern diskutieren und unsere Meinung dazu kund tun:

„Gendern macht die Diskriminierung nur noch schlimmer“– Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich benennen. Oder etwa nicht?

Grund-Problem: Falsche Argumente gegen das Gendern

Zum Beispiel ist es falsch zu behaupten, dass Wörter wie Student*innen nicht ausgesprochen werden können. „Gendern ist nicht schön“ ist auch falsch. Wer denkt, dass bei der zwischenmenschlichen Kommunikation Schönheit wichtiger sei als Gerechtigkeit, wird einen Ertrinkenden wegen der hässlichen Wasserflecken auf dem Yachtdeck nicht vor dem Ertrinken retten. Das Schlimmste ist aber die Aussage, dass die deutsche Sprache in irgendeiner Weise vor dem Wandel geschützt werden muss. Bitte alle Argumente dieser Art in Zukunft nur auf Althochdeutsch verfassen – danke! Die Sprache befindet sich im ständigem Wandel, den wir aber nicht beeinflussen können. In diesem Sinne wird sich von selbst herausstellen was sich in unserer Sprache durchsetzen wird: Gendern oder nicht.

Gegen das gesellschaftlich forcierte Gendern gibt es meiner Meinung nach im Grunde nur ein sehr gutes Argument: Gendern könnte diskriminierend sein, auch wenn damit das Gegenteil erreicht werden möchte. „Leider, ja“ – da die Menschen, die Gendern, an sich grundsympathisch sind. Diejenigen, die gendern, tun dies de facto, um auf sprachliche und soziale Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Was eigentlich so gesehen nichts schlechtes ist. Schließlich benennt man damit ein gesellschaftliches Problem. Zeitgleich wird man damit allerdings stets an die Ungleichheit zwischen Mann und Frau erinnert.

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Deutschland ist Europavizemeister im Frauen-schlechter-bezahlen. Der deutsche Feminismus fixiert sich zu sehr auf Gendern.
Bildquelle: canva.com

Deutschland ist Europavizemeister im Frauen-schlechter-bezahlen, nur Estland ist schlimmer

Die Durchsetzung der „Gender-Gleichstellung“ scheint manchmal die eigentliche Kernaufgabe des Feminismus hierzulande zu sein. Zumindest hat der moderne deutsche Feminismus hier die größten Erfolge erzielt: Der geschlechtsspezifische Lohnunterschied dürfte 25 Jahre lang ziemlich konstant bei etwa 20 % geblieben sein. Yay! *Ironie off*– Deutschland ist Europavizemeister im Frauen-schlechter-bezahlen, nur Estland ist schlimmer. Hauptsache im sächsischen Justizministerium wird jetzt gegendert. Aber wir schweifen ab…

Auch wenn es kein sonderlich großer Beitrag zur Gleichberechtigung von Frau und Mann ist (Jaaaa ich habe hier ganz bewusst die Frau zuerst kommen lassen, da es alphabetisch betrachtet mehr Sinn macht.), so ist es immerhin schon ein Schritt in eine gute Richtung. Nur sollte man sich nicht so sehr auf die Sprache fixieren und lieber auch was gegen die Gender-Pay-Gap unternehmen.

Deutsches Gendern

Unterschiedliche Wortformen für Männer und Frauen – Männer und Frauen sollen sprachlich also unterschiedlich behandelt werden? Geht es hier wirklich um Sichtbarmachung? Okay es stimmt vielleicht, dass viele Menschen, wenn sie beispielsweise Berufsbezeichnungen hören, das Bild eines Mannes im Kopf haben und dass wir in Deutschland weibliche Wortformen verwenden – gerade auch in Stellenausschreibungen oder offiziellen Texten – um zu verdeutlichen, dass der Beruf auch von Frauen ausgeübt wird.

Bei dieser Erklärung gibt es nur ein Problem: Das Standarddenken bei den meisten Berufsbezeichnungen ist nicht nur die Vorstellung eines „Mannes“, sondern die eines weißen, christlichen und heterosexuellen Mannes.

Inoffiziell steht das Kürzel W/M/D auf dem Arbeitsmarkt für Weiß, Männlich, Deutsch. ;D

Wenn also weibliche Fachkräfte ein extra Vokabular brauchen, brauchen dann auch jüdische, schwarze oder schwule Berufstätige mit Behinderungen eine Extra-Wortform? Wenn es wichtig ist, Wörter zu verwenden, die die beiden Informationen „Bundeskanzler“ und „Frau“ oder „Schriftsteller“ und „Frau“ enthalten, ist es dann auch richtig, das Wort „jüdisch“ in das Wort mit aufzunehmen? Wo soll das denn hinführen…?

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Scheinbar sind nicht alle Identitätskategorien sind gleich wichtig. Ist Gendern dann wirklich richtig und sinnvoll?
Bildquelle: canva.com

Nicht alle Identitätskategorien sind gleich wichtig.

Warum sich „Schriftstellerjude“ oder „Schwarzgast“ so verdammt falsch anfühlen, wenn Schriftstellerin und Gästin im öffentlichen Diskurs nicht nur in Ordnung, sondern auch noch anti-diskriminierend sein sollen. Man sieht im deutschen Gendern nur die logische Problematik, wenn wir die Analogie mit einer anderen Identitätsbeschreibung bilden: Diskriminierung.

Wenn wir im Deutschen zwischen den Geschlechtern unterscheiden, sagen wir: Diese Information ist so wichtig und muss immer enthalten sein. Daher machen wir das Geschlecht zur wichtigsten Identitätskategorie, während auf alle anderen Identitätskategorien nur hingewiesen wird, wenn sie als relevant betrachtet werden.

Theoretisch gibt es nur zwei Fälle, in denen sowas Sinn machen würde:

  1. Man will besonders hervorheben, dass es sich beim Bundeskanzler um eine schwarze, schwule, oder jüdische Person handelt. (Entweder um damit anzugeben wie inklusiv das eigene Land ist, oder um sich über diesen Punkt besonders aufzuregen. Beides eigentlich recht doofe Intentionen)
  2. Man sucht auf Google nach der Person und will mit möglich vielen Schlüsselwörtern die Suche eingrenzen. (Wer nach einer Russisch-Kurzhaar Katze sucht, wird bestimmt auch nur mit dem Wort „Katze“ auf Google fündig, braucht aber etwas länger)

Der Begriff Lehrerzimmer oder Schriftstellerverein umfasst zwar auch jüdische Lehrer und schwule Schriftsteller, trotzdem sprechen wir nicht von Schriftsteller*schwulen-Verband oder vom Lehrer*juden-Zimmer. Nur weibliche Lehrer und Schriftsteller sind getrennt bzw. extra zu nennen

Türkische, behinderte oder schwule Schriftsteller, Lehrer oder Immobilienmakler können manchmal auch einfach nur Menschen sein, sie schreiben manchmal einfach nur Bücher, bilden Kinder aus. Nur eine Frau kann ihre Identität – das „Frausein“ – nie loswerden. Wir verspüren in Deutschlands Genitalbesessenheit einen gewissen Sinn für Humor. Denn bis auf wenige Ausnahmen bezieht sich das Geschlecht auf die Genitalien, nicht unbedingt auf die, die wir sehen, sondern auf die, von denen wir glauben, dass sie vorhanden sind.

Ginge es um Geschlechteridentitäten jenseits physischer Merkmale, könnten wir nicht einfach drauf losgendern, sondern müssten erst mal ein Geschlecht erfragen. Wer aber nicht explizit als trans Person gelesen wird, der wird nicht gefragt, sondern gegendert. So betrachtet gendert ein jeder von uns automatisch, sobald er das Geschlecht der Person weis, auf die er sich bezieht. Was ja nicht nur in Ordnung, sondern auch eine Form von Höflichkeit ist. – Wir glauben, wir alle würden uns Probleme einfangen, wenn wir den lieben Polizisten als Frau Wachtmeisterin ansprechen würden.

Während Großbritannien über Theresa May oder Margrid Thatcher als asexuellen Prime Minister spricht, sind die Deutschen gezwungen, immer wenn von Dr. Merkel gesprochen wird, auch auf die Form der regierenden Genitalien hinzuweisen.

Der englische Gedanke ist schlichtweg dieser: Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit. Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich behandeln und das heißt, sie gleich zu benennen. Schließlich spricht man im Englischen von „The“ und „The“ und nicht wie bei uns von „Der“ und „Die“.

Um es anders zu sagen: Während die Deutschen sich für das Gendern, sprich das permanente Benennen von Geschlechterunterschieden entschieden haben, haben die Briten sich entschieden, das Anzeigen von Geschlechtlichkeit so weit wie möglich zu vermeiden. Dafür haben sie mit typisch britischer Pragmatik, die Form gewählt, die ihre Sprache sowieso als generisch hergibt. Diese Form ist im Englischen, genau wie im Deutschen, identisch mit der männlichen Form, im Deutschen wird sie durchaus kritisch als „generisches Maskulinum“ bezeichnet.

Die scheinbare sprachliche Maskulinität (An dieser Stelle schlägt mir die Autokorrektur von Word für „Maskulinität“ die „Minimalität“ vor…well played) von generischen Berufsbezeichnungen wirft ein Henne-Ei-Problem auf: Sind die Berufsbezeichnungen inhärent männlich und brauchen daher eine parallele weibliche Form, oder sind sie inhärent generisch und wirken nur deswegen männlich, weil sie historisch nur von Männern ausgeführt werden durften? (Als Beispiel könnte man hier auch die Hebamme oder die Krankenschwester anbringen.) Wir hoffen ihr könnt unserem Gedankengang noch folgen…

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Die scheinbare sprachliche Maskulinität von generischen Berufsbezeichnungen wirft ein Henne-Ei-Problem auf.
Bildquelle: canva.com

Viele junge Menschen kennen nur eine Kanzlerin

Aus englischer Perspektive ist Letzteres der Fall. Das Wort „Prime Minister“ bezeichnet de facto für den Großteil der englischen Geschichte einen Mann, einfach deshalb, weil Frauen früher weder wählen noch gewählt werden durften. Das Wort war nicht deshalb männlich, weil es sprachlich männlich ist, sondern weil es in der Realität männlich war.

Die englische Lösung für dieses Problem ist es nicht, eine weibliche Form einzuführen, obwohl „Prime Ministress“ durchaus ginge, sondern einfach eine Frau zu wählen.

In Deutschland hingegen ist die komplette Gen Z mit einer Bundeskanzlerin aufgewachsen –#Longlivethemerkel -und kennt daher die männliche Variante nur aus öden Geschichtsbüchern.

Diskriminiert das Wort „Frau“ etwa Unverheiratete?

Als die Engländer aufhörten, einen sprachlichen Unterschied zwischen actor und actress zu machen -jedoch in der BDSM-Szene immer noch von „Master“ und „Mistress“ reden- hörten die Deutschen auf, zwischen „Frau“ und „Fräulein“ zu unterscheiden – außer es gibt Ärger.

Anstatt unverheiratete weibliche Menschen als „Fräulein“ und nur verheiratete weibliche Menschen als „Frau“ zu bezeichnen, wurde es üblich, alle weiblichen Menschen als „Frau“ zu bezeichnen. Auch hier hätte man argumentieren können, dass dies die verheiratete Frau zum Standard macht und die unverheiratete diskriminiert.

Biologisch betrachtet würde es jedoch Sinn machen wenn man vom Alter der Person ausgeht. Bei Kindern ist von „Junge“ und „Mädchen“ die Rede, im fortgeschrittenem Alter von „Fräulein“ und „Männlein?“…. Männer sind und bleiben in dem Alter immer noch Jungs und im erwachsenen Stadium spricht man von „Mann“ und „Frau“. Und wenn man schon mit einem Bein im Grabe steht, ist von „der Dame“ oder „dem Herren“ die Rede.

Aus Frauen können noch immer Menschen werden

In einer Welt, in der innerhalb weniger Jahrzehnten aus „Fräuleins“ „Frauen“ wurden, können aus Frauen noch immer Menschen werden. Menschen, die Bücher schreiben, wir nennen sie dann Schriftsteller, Menschen die regieren, wir nennen sie dann Bundeskanzler, Menschen, die zu Gast sind, wir nennen sie dann Gäste. In dieser Welt würden wir sehr gerne leben.

Wie dynamisch die Sprache ist, kann man im kleinen Bereich der Jugendsprache sehen: Wer sagt heutzutage noch „yolo“? So sollte man die Sprache nicht wirklich forcieren und einfach abwarten, was sich am Ende durchsetzt. In diesem Sinne: „No front, seid Ehrenmänner und -Frauen und droppt einen Kommi, denn vallah Habibi, wir müssen los!“

Vanessa & Philip

2 Comments

    4. September 2021 REPLY

    Es ist schwierig zu verstehen wie man einen Artikel schreiben kann, welcher ganz klar die Dinge darstellt wie sie sind: Die absolut überragende Mehrheit will kein Gendern, um anschließend sofort eine flammende Werbeveranstaltung Pro-Gendern zu starten. Ganz ehrlich: welchen Teil vom Wort „NEIN“ hat die Redakteurin eigentlich nicht verstanden??? NEIN HEIßT NEIN! Kein Bock! Grammatikalisch falsch. Einfach nein! Oder soll ich es noch einmal wiederholen??

      9. September 2021 REPLY

      Hallo „CS“,
      wir stimmen dir da voll zu. Das Gendern ist so eine Art Gesellschaftsphänomen, welches an sich betrachtet relativ irrelevant ist in Anbetracht von dringenderen Problemen. Außerdem ist es für uns Autoren manchmal doch recht lästig beim Schreiben noch zusätzlich darauf zu achten, wie man jetzt richtig gendert. Unser Artikel ist jedoch keine direkte Stellungnahme zu dem Thema ob Gendern jetzt gut oder schlecht ist, sondern eher eine Zusammenfassung der aktuellen Tatsachen und Gegebenheiten sowie einiger Pro- und Kontra-Argumente. Wir danken dir für deinen Kommentar und dass du dir die Zeit genommen hast unseren Artikel zu lesen und hoffen, dass er für dich einigermaßen unterhaltsam war.

      Liebe Grüße

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